PrivateMarkets360: Herr Queru, lassen Sie uns mit einer grundlegenden Einordnung beginnen: Wie definieren Sie Natural Capital als Assetklasse?
Gautier Queru: Natural Capital bezeichnet die Gesamtheit der natürlichen Ressourcen – etwa Wälder, Böden, Wasser- und Ökosysteme –, die der Wirtschaft essenzielle Leistungen bereitstellen: Nahrungsmittel, Fasern, Rohstoffe, aber auch Kohlenstoffbindung oder Wasserspeicherung. In der Investmentperspektive geht es nicht um das Eigentum an Natur, sondern um Investitionen, die ihren Schutz, ihre Regeneration und nachhaltige Nutzung ermöglichen. Dabei handelt es sich weniger um eine eigenständige Assetklasse, sondern vielmehr um ein übergreifendes Investmentthema, das sich aktuell vor allem über Private Markets erschließen lässt – insbesondere in den Bereichen Real Assets, Private Debt oder strukturierte Finanzierungen.
PrivateMarkets360: Über welche konkreten Investmentvehikel können Anleger Zugang zu Natural Capital erhalten?
Queru: Die Bandbreite an Zugangswegen ist inzwischen recht groß. Wir sehen Investitionen in produktive Naturinfrastruktur – etwa über die Finanzierung von Aufforstungsprojekten oder nachhaltigem Anbau von Rohstoffen wie Kakao, Kaffee oder Holz. Manche Strategien basieren auf dem direkten Erwerb von Land und dessen ökologischer Aufwertung, andere zielen auf Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen, etwa durch die Generierung von Carbon Credits. Daneben entstehen zunehmend auch Ansätze, die über Private Equity oder Venture Capital in technologiegestützte Lösungen investieren – sogenannte „Nature Tech“. Insgesamt handelt es sich um ein holistisches Investmentfeld mit zahlreichen strategischen Ausprägungen.
Queru: Unser Ansatz basiert auf zwei klar differenzierten Strategien. Zum einen investieren wir über Fondsvehikel in nachhaltige Landnutzung und grüne Infrastruktur – also etwa in Agroforstsysteme, regenerative Landwirtschaft oder Biodiversitätsprojekte. Zum anderen fokussieren wir uns mit einem separaten Fonds auf die Entwicklung hochwertiger, zertifizierter Carbon Credits. Diese Projekte richten sich vor allem an Unternehmen, die glaubwürdige Klimastrategien verfolgen und CO₂-Kompensation in ihr Geschäftsmodell integrieren wollen. Beide Strategien sind auf langfristige Wirkung, skalierbare Geschäftsmodelle und messbaren Impact ausgerichtet.
PrivateMarkets360: Ganz generell ist das Fundraising in den Private Markets derzeit weiterhin recht anspruchsvoll – wie ist die Investorenresonanz auf Natural-Capital-Strategien in diesem Umfeld?
Queru: Tatsächlich beobachten wir trotz des schwierigen Fundraising-Umfelds ein wachsendes Interesse. Wir befinden uns in einem strukturellen Übergang, der sich in drei Phasen gliedert: Zunächst entsteht Bewusstsein dafür, dass Natur ein ökonomischer Produktionsfaktor mit messbarem Wert ist. In einem zweiten Schritt formulieren Investoren strategische Commitments oder Allokationsziele. Erst in der dritten Phase folgen konkrete Kapitalzusagen und erste Investments. Wir sehen aktuell, dass immer mehr institutionelle Investoren bereit sind, erste Pilotinvestments zu tätigen. Unser jüngstes Blended-Finance-Vehikel konnte prominente Partner wie Allianz, BNP Paribas Cardif sowie multilaterale Akteure wie den Green Climate Fund gewinnen – ein wichtiges Signal für die Marktreife dieses Segments.
PrivateMarkets360: Wie gelingt es Ihnen, die finanziellen und nicht-finanziellen Zielsetzungen von Natural Capital Investments unter einen Hut zu bringen?
Queru: Der Schlüssel liegt im strukturellen Alignment von ökonomischem Erfolg und positiver Wirkung. Wir investieren ausschließlich in Projekte, die auf nachhaltige Nutzung und Regeneration natürlicher Ressourcen abzielen – etwa über Agroökologie, Zertifizierungen wie FSC oder Rainforest Alliance, oder strenge Nachhaltigkeitsstandards entlang der Lieferketten. Dieses Impact-Fundament wird zunehmend auch regulatorisch unterstützt: So steigt in der EU die Nachfrage nach entwaldungsfreien und transparenten Lieferketten, etwa durch EUDR oder CSRD. Das ermöglicht es uns, Projekte zu identifizieren, die nicht nur ökologische Wirkung entfalten, sondern auch stabile Märkte und gegebenenfalls Preisprämien realisieren können.
PrivateMarkets360: Natural-Capital-Projekte gelten als langfristig und illiquide. Wie gehen Sie mit diesen Eigenschaften um?
Queru: In der Tat handelt es sich meist um Investitionen mit einem Anlagehorizont von acht bis zehn Jahren oder länger. Um die Liquiditätsrisiken zu begrenzen, strukturieren wir unsere Finanzierungen bevorzugt über amortisierende Instrumente im Bereich Private Debt. Entscheidender Erfolgsfaktor ist jedoch das nachhaltige Alignment zwischen Projektentwicklern und Investoren. Unsere Projekte müssen von Anfang an so konzipiert sein, dass sie wirtschaftlich tragfähig sind – und ihre Wirkung auch über unseren Exit hinaus entfalten können. Zertifizierungen, Marktintegration und unternehmerische Anreizstrukturen sind dabei essenziell. Zwar setzen wir auch auf rechtliche Schutzmechanismen, aber im Zentrum steht die gemeinsame Vision, dass positive Wirkung mit langfristiger Rentabilität vereinbar ist.
PrivateMarkets360: Gibt es bereits funktionierende Sekundärmärkte für Natural-Capital-Investments?
Queru: Der institutionelle Sekundärmarkt steht noch am Anfang, entwickelt sich aber sukzessive weiter. Besonders interessant ist die wachsende Nachfrage aus der Industrie – etwa entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette. Unternehmen beginnen zunehmend, sich upstream in ihre Lieferketten zu integrieren, um nachhaltige Rohstoffquellen langfristig zu sichern. Das schafft potenzielle Exit-Pfade, vergleichbar mit der Entwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien, wo Versorger projektbasierte Infrastrukturportfolios übernommen haben.
PrivateMarkets360: Welche Rolle könnte die ELTIF 2.0 Bewertung künftig für Natural-Capital-Investments spielen – auch mit Blick auf die Öffnung der Assetklasse für Privatanleger?
Queru: Das Thema stößt bei privaten Investoren, insbesondere der jüngeren Generation, auf enormes Interesse – vor allem aufgrund des starken Sinnbezugs. Doch aktuell ist das Angebot noch nicht ausreichend strukturiert: Es fehlen robuste Risiko-Rendite-Profile und langfristige Track Records, um eine breitere Retail-Zielgruppe zu adressieren. Perspektivisch sehen wir aber gute Chancen, Natural-Capital-Strategien über regulierte Vehikel wie ELTIFs zumindest für HNWIs und semi-professionelle Investoren zugänglich zu machen. Voraussetzung ist eine weitere Konsolidierung des Marktes und die Etablierung standardisierter Investitionsstrukturen.
PrivateMarkets360: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Queru!
Gautier Queru
Head of Natural Capital bei Mirova. Er verantwortet die Entwicklung und Umsetzung von Investmentstrategien rund um Biodiversität, nachhaltige Landnutzung und kohlenstoffbezogene Naturinfrastruktur. Zuvor war er unter anderem für Impact-Strategien bei CDC und Proparco tätig.
Mirova
Mirova ist ein spezialisierter Impact-Asset-Manager mit Sitz in Paris und Tochtergesellschaft von Natixis Investment Managers. Das Unternehmen verwaltet über 30 Milliarden Euro in thematischen Strategien, darunter erneuerbare Energien, soziale Infrastruktur, Natural Capital und nachhaltige Aktien.
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