PrivateMarkets360: Herr Wilkinson, nach nun mehr als zwei schwierigen Jahren: Wie schätzen Sie die aktuelle Marktlage für Real Estate-Investments im institutionellen Segment ein?
Rob Wilkinson: Wir sehen inzwischen deutliche Anzeichen für eine Trendwende. Das Zinshoch scheint hinter uns zu liegen, und das verändert die Perspektive der Investoren. Die Zentralbanken senden klare Signale in Richtung Lockerung, was für unsere Assetklasse enorm wichtig ist. Diese Entwicklung wirkt nicht nur psychologisch stabilisierend, sondern ermöglicht auch wieder besser kalkulierbare Renditen. Das führt dazu, dass sich die Transaktionsvolumina – insbesondere im Core-Bereich – langsam, aber stetig erholen. In den großen europäischen Metropolen wie London, Paris oder Frankfurt werden wieder großvolumige Transaktionen angestoßen, die lange auf Eis lagen. Noch ist es keine breite Markterholung, aber die Richtung stimmt.
PrivateMarkets360: Wie spiegelt sich das konkret im Verhalten Ihrer institutionellen Kunden wider?
Wilkinson: Die Zurückhaltung, die wir 2022 und 2023 gesehen haben, beginnt sich aufzulösen. Eines der Portfolien in unserem deutschen Geschäft etwa hatte im vergangenen Jahr keinerlei Zuwachs verzeichnet. Dennoch konnten wir dem Investor im Herbst 2024 ein attraktives Residential-Portfolio in Frankfurt vorstellen – das Investment wurde schließlich umgesetzt. Inzwischen ist für dasselbe Portfolio für die kommenden zwei bis drei Jahre ein signifikantes Allokationsvolumen im dreistelligen Millionenbereich vorgesehen. Das zeigt: Wenn Produkt und Timing stimmen, ist die Investitionsbereitschaft zurück. Vergleichbare Signale sehen wir aktuell auch aus Asien, insbesondere bei koreanischen Investoren. Dort waren Immobilien 2023 kaum im Fokus – heute führen wir wieder konkrete Mandatsgespräche.
PrivateMarkets360: Welche Strategien stehen derzeit im Fokus? Kehren Investoren vor allem mit Core-Strategien zurück?
Wilkinson: Core bleibt ohne Frage die dominante Strategie, insbesondere in Deutschland und bei Versicherungen und Versorgungswerken. Die Marktvolatilität der letzten Jahre hat viele Investoren vorsichtiger gemacht. Gleichzeitig sehen wir erste Bewegungen in Richtung Value-add, vor allem bei institutionellen Anlegern mit einem längeren Zeithorizont und ausreichendem Risikobudget. Ein gutes Beispiel ist ein langjähriger Core-Investor, der uns Ende 2024 ein neues Mandat für europäische Value-add-Investments gegeben hat. Das erste Objekt ist ein Bürogebäude im West End von London, das wir umfassend umbauen und repositionieren. Solche antizyklischen Strategien werden aktuell zwar nur von einer Minderheit verfolgt, aber sie sind ein wichtiges Signal für die Normalisierung des Marktes.
PrivateMarkets360: Büroimmobilien galten zuletzt als problematisch. Warum investieren Sie dennoch gerade dort?
Wilkinson: Das stimmt – und gerade deshalb ergeben sich Chancen. Büro hat von allen Segmenten die stärkste Repricing-Phase durchlaufen. Das heißt: Die Bewertungen sind spürbar zurückgekommen, während gleichzeitig in vielen Städten die Angebotsseite begrenzt ist. Wir sehen in unseren Modellen für die nächsten fünf Jahre das höchste Risiko-Rendite-Profil im Office-Bereich, vor allem bei hochwertigen, ESG-konformen Objekten in zentralen Lagen. Mietwachstum ist in Städten wie München, Berlin, Paris oder London wieder sichtbar. Entscheidend ist natürlich die Qualität: Gebäude mit veralteter Ausstattung oder schlechter Lage haben es schwer, aber gut positionierte Assets entwickeln sich deutlich besser als viele Marktteilnehmer erwarten.
PrivateMarkets360: Was sind Ihre Beobachtungen speziell für den deutschen Markt?
Wilkinson: Deutschland bleibt ein anspruchsvolles Umfeld – nicht wegen der Nachfrage, sondern weil etwa das Bewertungsverfahren in volatilen Zeiten mit geringen Transaktionsvolumina eine schnelle Wertkorrektur nicht immer zulässt. Die Bewertungen finden zumeist einmal jährlich und nicht quartalsweise statt. Sie basieren auf Vergleichstransaktionen und streben einen nachhaltigen Wert an, unabhängig von temporären Marktbewegungen. Dies kann dazu führen, dass Buchwerte deutlich über den realisierbaren Verkaufspreisen liegen. Das verzerrt nicht nur das Bild in den Portfolios, sondern erschwert auch Transaktionen massiv. Viele Eigentümer tun sich schwer damit, diese Diskrepanz anzuerkennen. Das führt zu einer Art Stillstand im Markt, insbesondere bei Büroimmobilien in B-Lagen. Wir erwarten jedoch, dass sich diese Lücke mit der Zeit schließt – nicht zuletzt durch externe Gutachter, Markttransparenz und steigenden Verkaufsdruck bei einzelnen Marktteilnehmern.
PrivateMarkets360: ESG bleibt weiterhin ein zentrales Thema – wie positionieren Sie sich angesichts der regulatorischen Anforderungen?
Wilkinson: Die ESG-Regulierung der EU hat zweifellos für mehr Komplexität gesorgt – insbesondere bei der Datenlage, bei Reporting-Standards und Klassifizierungen. Gleichzeitig hat sie aber auch für mehr Transparenz gesorgt, was langfristig vorteilhaft ist. Wichtig ist, dass ESG heute nicht mehr nur regulatorisch getrieben ist, sondern zunehmend durch die Nachfrage der Nutzer. Mieter legen großen Wert auf Energieeffizienz, auf moderne Gebäudetechnik, Lage und Ausstattung. Das wirkt sich direkt auf die Vermietbarkeit und damit auf die Performance aus. Gute Gebäude erzielen bessere Mieten, werden länger gehalten und bleiben im Wert stabiler. Das ESG-Profil eines Assets ist damit längst ein wesentlicher Bestandteil der Investmententscheidung geworden – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern aus handfesten ökonomischen Überlegungen.
PrivateMarkets360: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wilkinson!
AEW Europe ist ein führender Immobilien-Investmentmanager mit Fokus auf institutionelle Anleger und Teil des globalen Netzwerks von Natixis Investment Managers. Das Unternehmen verwaltet in Europa ein breit diversifiziertes Portfolio aus Core-, Core-Plus- und Value-Add-Strategien in den Bereichen Büro, Wohnen, Logistik und Einzelhandel. Rob Wilkinson ist seit 2014 CEO von AEW Europe und verantwortet die strategische und operative Leitung des Geschäfts in über zehn europäischen Ländern. Zuvor war er u. a. in leitenden Funktionen bei RREEF/Deutsche Bank und AXA tätig.
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AEW Europe is a leading real estate investment and asset manager and part of the global network of Natixis Investment Managers. The company manages a broadly diversified portfolio of core, value-add and opportunistic investment strategies on behalf of its clients across the sectors of office, residential, logistics, and retail in Europe. Rob Wilkinson has been the CEO of AEW Europe since 2014 and is responsible for the strategic and operational management of the business in over ten European countries. Rob joined AEW in 2009 and prior to being appointed CEO, served as Chief Investment Officer for the firm in Europe. Previously, he was Managing Director at the Goodman Group and a member of the firm’s European Executive Committee.